Als Nonsens (von engl. Nonsense, dt. Unsinn) oder Nonsense-Literatur wird eine literarische Gattung bezeichnet, die sich im Gegensatz zum Alltagsbegriff des „Unsinns“ durch eine regelhaft betriebene Sinnverweigerung auszeichnet.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Zum Begriff
2 Merkmale
3 Vertreter
4 Beispiel
5 Literatur
6 Weblinks
Zum Begriff [Bearbeiten]
Sprachliche Gestaltungsformen des Unsinns, wie zum Beispiel die Verballhornung oder der Schüttelreim, sind jahrhundertealt. Der heute gebräuchliche Terminus als Bezeichnung für eine literarische Gattung geht indes auf Edward Lears „Book of Nonsense“ von 1846 zurück.
Merkmale [Bearbeiten]
„Unfug“, „Schwachsinn“ oder „Sinnlosigkeit“ treffen den sowohl in Versen als auch in Prosa betriebenen Nonsense nicht, da sein „Nicht-Sinn“ in der Regel ein systematischer ist und damit eine neue Wirklichkeit installiert oder simuliert, die nach eigenen Gesetzen funktioniert und in sich stimmig ist. Nonsensliteratur weicht dabei von den Grundsätzen gewohnter, empirischer Wahrscheinlichkeit ab. Sie bedient sich paradoxer Aussagen, leerer Vergleiche, unbekannter Metaphern und sonstiger alogischer Stilmittel, wozu auch fiktive Substantive, wie zum Beispiel Christian Morgensterns „Fingur“, gehören. Der Nonsenstext konfrontiert damit die Sinnerwartung des Lesers mit Sachverhalten, die nur innerhalb des Textes selbst stimmen.
Vertreter [Bearbeiten]
Als klassischer Nonsensautor gilt neben Edward Lear Lewis Carroll. Nonsens findet sich im frühen 20. Jahrhundert insbesondere im Werk von Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz, in den 1950er-Jahren bei Heinz Erhardt und seit den 1960er-Jahren in den Arbeiten der Neuen Frankfurter Schule. Im 21. Jahrhundert wird Nonsens in Rubriken des Satiremagazins Titanic gepflegt.
Im Alt-Wiener Volkstheater gab es Nonsens-Couplets, die auch „Galimathias“ (franz. Ungereimtes, Unsinn) genannt wurden.
Beispiel [Bearbeiten]
Robert Gernhardt: Ein Gleichnis
Wie wenn da einer, und er hielte
ein frühgereiftes Kind, das schielte,
hoch in den Himmel und er bäte:
„Du hörst jetzt auf den Namen Käthe!“ —
Wär dieser nicht dem Elch vergleichbar,
der tief im Sumpf und unerreichbar
nach Wurzeln, Halmen, Stauden sucht
und dabei stumm den Tag verflucht,
an dem er dieser Erde Licht …
Nein? Nicht vergleichbar? Na, dann nicht!
oder:
Dunkel war's, der Mond schien helle,
Schneebedeckt die grüne Flur,
Als ein Auto blitzesschnelle
Langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute
Schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschossner Hase
Auf der Sandbank Schlittschuh lief.
Und der Wagen fuhr im Trabe
Rückwärts einen Berg hinauf.
Droben zog ein alter Rabe
Grade eine Turmuhr auf.
Ringsumher herrscht tiefes Schweigen
Und mit fürchterlichem Krach
Spielen in des Grases Zweigen
Zwei Kamele lautlos Schach.
Und auf einer roten Bank,
Die blau angestrichen war
Saß ein blondgelockter Jüngling
Mit kohlrabenschwarzem Haar.
Neben ihm 'ne alte Schachtel,
Zählte kaum erst sechzehn Jahr,
Und sie aß ein Butterbrot,
Das mit Schmalz bestrichen war.
Oben auf dem Apfelbaume,
Der sehr süße Birnen trug,
Hing des Frühlings letzte Pflaume
Und an Nüssen noch genug.
Von der regennassen Straße
Wirbelte der Staub empor.
Und ein Junge bei der Hitze
Mächtig an den Ohren fror.
Beide Hände in den Taschen
Hielt er sich die Augen zu.
Denn er konnte nicht ertragen,
Wie nach Veilchen roch die Kuh.
Und zwei Fische liefen munter
Durch das blaue Kornfeld hin.
Endlich ging die Sonne unter
Und der graue Tag erschien.
Dies Gedicht schrieb Wolfgang Goethe
Als er in der Morgenröte,
Liegend auf dem Nachttopf saß
Und seine Morgenzeitung las.
Literatur [Bearbeiten]
Peter Köhler: Nonsens. Theorie und Geschichte der literarischen Gattung. ISBN 3-8253-4110-0
Das Nonsens-Buch. Reclam. ISBN 3-15-009785-1
Kerstin Hoffmann-Monderkamp: Komik und Nonsens im lyrischen Werk Robert Gernhardts – Annäherungen an eine Theorie der literarischen Hochkomik. ISBN 3-8311-2401-9
Theo Stemmler, Stefan Horlacher (Hrsg.): Sinn im Unsinn. Über Unsinnsdichtung vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. ISBN 3-8233-4154-5